In unmittelbarer Nachbarschaft zur Dorfkirche befindet sich eines der ältesten Gutshäuser im Umfeld von Gardelegen.
Einige Mitglieder des "Wassermühlen- und Heimatverein Wiepke" e.V. hatten am 27.10.2012 die Möglichkeit, dieses erwürdige Bauwerk von Außen und auch von Innen zu besichtigen.
Gutsanlage:
Die Gutsanlage besteht aus Gutshaus, Gutspark und Wirtschaftshof mit Stallungen ab dem 19. Jahrhundert.
Das Gutshaus, ein zweigeschossiger Fachwerkbau aus Eichenholz mit einem schiefergedecktem Walmdach aus dem frühen 18. Jahrhundert, ist von einem Gutspark umgeben.
Noch befindet sich die Fachwerkkonstruktion des Gutshauses in gutem Zustand. Einige Balkenköpfe und Schwellen/Ständer haben jedoch auch Schadstellen.
Da die Hofstelle durch unterschiedliche Umstände über die Jahrhunderte mehrfach geteilt und auch verkauft wurde, schrumpfte der Grundbesitz bis auf unter 100 ha.
Gutspark:
Der Gutspark mit teilweise altem Baumbestand ist - trotz seiner Größe - in einem gepflegten Zustand, jedoch wurde er über die Jahrzehnte stark verändert, so dass nur noch wenig an einen beschriebenen Zustand aus der Zeit der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Beidseitig der Außentreppe stehen sehr alte Eiben mit erstaunlichem Durchmesser.
Prägend für das Gesamtbild war ein um das Gutshaus führender Wassergraben, der von der Milde gespeist wurde. Mit der Vertiefung des Mildeflusses war nicht nur eine weitere Wasserzuführung zum Graben um das Gutshaus unmöglich, auch die mittelschlächtige Wassermühle wurde stillgelegt und auf Elektroantrieb umgerüstet und die Wasserführung um die Mühle völlig verändert.
Heute ist der Graben um das Gutshaus vollständig ausgetrocknet, teilweise verfüllt und nur noch abschnittsweise sichtbar.
Gutshaus:
Das Gutshaus besteht aus drei Etagen:
- Kellergeschoss
- Erdgeschoss
- Obergeschoss
Noch heute können die Funktionen in den einzelnen Etagen gut zugeordnet werden, da es keine wesentlichen Veränderungen durch gravierende Umbauarbeiten im Inneren oder äußeren gegeben hat.
Kellergeschoss:
Unter der doppelläufigen Sandsteintreppe befindet sich der Zugang zum Kellergeschoss. Das gesamte Gutshaus ist komplett unterkellert. Die Kellerräume liegen nur wenige Dezimeter unter dem umliegenden Geländeniveau und sind trotz der Feuchtigkeit zum großen Teil mit Dielung (!) aus Kiefernholz versehen.
Die einzelnen Kellerräume dienten als Küche, Wirtschaftsräume, Backstube. Ein großer Vorratskeller mit Gewölbedecke befindet sich auf der kühlen Nordseite. Zwei mächtige Kamine beginnen im Keller und ziehen sich bis zum Dachgeschoss durch die einzelnen Ebenen. Die Küche, mit ehemals offenen Herdstellen war eine so genannte "Schwarze Küche".
Eine Treppe von der Küche aus ermöglicht den einzigen Zugang zum Erdgeschoss.
Erdgeschoss:
Nur über die bereits erwähnte massive Außentreppe ist diese Gebäudeebene von Außen erreichbar.
über der Eingangstür befindet sich ein von Löwen flankiertes Allianzwappen des Erbauerpaars Levien Ludolph und Anna Lucia von Alvensleben. Die Baufrau - eine verwitwete von Alvensleben -, die einen Verwandten ihres verstobenen Gatten heiratete und mit diesem das Haus 1705 zu Ende baute.
Der Eingangsbereich ist im Inneren schlicht gehalten, eine Trennwand versperrt den direkten Zugang zur Treppe ins Kellergeschoss, bzw. zum Obergeschoss, beides sehr steile hölzerne Treppen ohne jeglichen Besonderheiten oder Zierrat. Getrennte Treppen für Gutsherrschaften und Personal gab es nicht.
Eine großzügige Diele, wie in solchen Häusern auch auf dem Lande durchaus üblich, ist nicht vorhanden. Vom Eingangsbereich geht es beidseitig in die Räume, die eine Höhe von etwa 4 m haben. Die Eingangstüren zu diesen Räumen sind noch aus der Erbauungszeit und haben sehr schöne, kunstvolle Beschläge.
Diese Geschossebene war bis 2005 noch bewohnt und wurde nach der Wende umgebaut, bzw. renoviert.
Obergeschoss:
über eine steile - rechtwinklig nach links abgewinkelte - Treppe gelangt man ins Obergeschoss. Diese Gebäudeebene ist noch fast völlig unberührt und demnach die Innenraum- gestaltung über 300 Jahre alt, wenn man von Maler- und Tapezierarbeiten der Neuzeit absieht!
Die Raumhöhen liegen deutlich unter 4 m, sind jedoch für heutige Verhältnisse immer noch sehr hoch. Türen mit geschmiedeten Bändern aus der Erbauungszeit führen zu den einzelnen Räumen. Nischen für öfen und Wandschränke sind noch vorhanden.
In einem Zimmer befinden sich in den Deckenwinkeln schlichte Tulpen als Stuckelemente ausgebildet und eine starke umlaufende Profilleiste . Die Fenster sind kleingliedrig mit Einfachverglasung und öffnen sämtlich nach Außen.
Die Fußböden bestehen aus einer einfachen Pappelbohlendielung. In einem Zimmer zur Nordseite sind die Dielen mit Eichenbohlen unterbrochen - ein schmuckvoller, repräsentativer Anblick!
Zum Dachgeschoss führt nur eine schmale Stiege.
Dieses außergewöhnliche Fachwerkhaus aus dem Jahre 1705 hat eine wechselvolle Geschichte erlebt. Es war 300 Jahre bewohnt, von 1840 bis 2005 durch die Familie der heutigen Eigentümer.
Die schwerste Zeit war für Haus und Bewohner sicher die nach dem Kriegsende im April/Mai 1945, als die Amerikaner sich hier zwei Monate fest einquartiert hatten. Die Eigentümer wurden des Hauses verwiesen. Die Verluste am Mobiliar waren in dieser Zeit besonders hoch.
Die nachrückende russische Armee löste die Amerikaner am 1. Juli 1945 auch im Wohnhaus ab, gestattete jedoch den Eigentümern zusammen mit Flüchtlingen aus den besetzten Ostgebieten Deutschlands unter schwierigen Bedingungen wieder das Wohnrecht, bis sie schließlich in ein anderes Quartier nach Gardelegen umzogen.
Da der Grundbesitz bei unter 100 ha lag, fiel der Grundbesitz im Herbst 1945 nicht unter die auf Anweisung der Sowjetischen Besatzungsmacht durchgeführte Bodenreform und wurde somit auch nicht enteignet. Die Eigentümer konnten deshalb dort wohnen bleiben und haben dieses außergewöhnliche Grundstück bis heute erhalten und gepflegt. Seit sieben Jahren steht das Gutshaus nun leer und wird auch nicht mehr genutzt.
Alle Versuche für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude eine neue Nutzung zu finden schlugen bislang fehl.